Den inneren Kritiker zähmen: Wie Selbstzweifel Führungskräfte blockieren und was Du dagegen tun kannst
- Svenja Reiniger
- 5. Aug.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Aug.
Eigentlich läuft es gerade gut. Die Stimmung im Team passt; Du konntest ein Projekt erfolgreich abschließen oder Du stehst kurz vor einer Beförderung. Doch anstatt den Erfolg zu genießen, gibt es da eine hartnäckige Stimme, die sagt “Freu Dich nicht zu früh, jetzt musst Du Dich erst recht anstrengen", “Beim nächsten Mal wird es nicht so reibungslos laufen”. Oder Du stehst vor einer wichtigen Entscheidung, und anstatt souverän und abwägend zu handeln, lähmt Dich eine Welle von Selbstzweifeln.
Als Führungskraft bist Du es zwar gewohnt, Herausforderungen zu meistern und Verantwortung zu übernehmen. Doch wenn der innere Kritiker immer wieder durchschlägt, kann dies sehr belastend sein. Zumal in kaum einem Unternehmen offen darüber gesprochen wird - schließlich widersprechen Selbstzweifel komplett dem Bild, welches wir von Leadership haben. Und doch sind sie weit verbreitet. Ich behaupte sogar, sie sind Teil einer jeden Führungsrunde - auch auf Top-Ebene.
Viele Führungskräfte kämpfen im Stillen damit, dass sich die eigene Leistung nicht ausreichend anfühlt. Das ist vorübergehend auch kein Problem und gehört in bestimmten Phasen, auch zum Wachstum dazu. Aber, wenn Selbstzweifel immer wider lähmen, kann dies langfristig Stress mit all seinen negativen Folgen begünstigen. In diesem Artikel erfährst Du, woher diese Zweifel kommen und wie Du den inneren Kritiker für Dich nutzen kannst. Für mehr Souveränität, Klarheit und Wirksamkeit in Deinem Führungsalltag.
“Warum traue ich mir manche Dinge nicht zu” - Der innere Kritiker und das Impostor-Syndrom
In unserem Kopf quatscht es den ganzen Tag. Wir reden fast durchgehend mit uns selbst und im inneren Monolog, gehen wir meist sehr hart mit uns in Gericht. Wir alle kennen diese innere Stimme, die mit Wonne Erfolge klein redet und Fehler zu Katastrophen stilisiert. Psychologen nennen dieses Phänomen den "inneren Kritiker". Dieser ist Resultat früher Prägungen von Bezugspersonen, Erwartungen und Verhaltensmustern, die wir übernommen haben. Das ist per se auch nicht schlecht. Denn wir müssen lernen zu zweifeln, uns auch mal zurückzunehmen, und es anderen recht machen zu wollen - nur so kann Zusammenleben überhaupt funktionieren. Insofern steckt in Selbstzweifeln eine gute Absicht, die uns zu Leistung anspornen kann, zur Vorsicht, Rücksichtnahme usw.. In stressigen Situation und daher oft auch im Berufsleben, kann das aber auch schnell ins Gegenteil umschlagen und unsere Handlungsfähigkeit blockieren. Ähnlich verhält es sich mit dem sogenannten
Impostor-Syndrom oder auch Hochstapler-Syndrom genannt. Hier glauben Menschen trotz objektiver Erfolge, ihren Platz nicht verdient zu haben und fürchten, als "Betrüger" entlarvt zu werden. Sätze wie „Ich gehöre nicht hierher“ oder "ich kann das doch eigentlich gar nicht, was ich hier mache" sind typisch dafür. Beide Phänomene führen dazu, dass der Fokus fehlt sowie eigene Kompetenzen nicht gesehen und Erfolge nicht erlebt werden können.
Was ist der innere Kritiker und warum trifft er gerade Führungskräfte so oft?
Wir alle haben also unsere “inneren Kritiker”. Sie gehören als eine Art Frühwarnsystem zu unserem Leben dazu und haben ihren Nutzen. Bei Führungskräften ist der innere Kritiker aber oft besonders aktiv. Warum? Du kennst es wahrscheinlich: Dein Job ist geprägt von hohen Erwartungen – durch Vorgesetzte, Mitarbeitende, Stakeholder, aber vor allem auch den eigenen Ansprüchen; Entscheidungen können große Auswirkungen haben, handeln unter Zeitdruck ist an der Tagesordnung und oft gilt es sich in unbekanntes Terrain wagen. Hinzu kommt: Erfolge sind vorausgesetzt und Fehler sichtbarer, weil Du die Verantwortung trägst.
Sicher kennst auch Du einige der folgenden typischen Anzeichen eines starken inneren Kritikers:
Übermäßiges Grübeln vor oder nach Entscheidungen („War das richtig? Was denken die anderen? Wie bringe ich das dem Team bei?“)
Die Angst, aufzufliegen oder nicht zu genügen („Ich kann das doch gar nicht. Ich hab darin keine Erfahrung. Wieso bekomme ich diese Rolle?“ – Impostor-Syndrom)
Perfektionismus und das Gefühl, nie genug zu leisten
Schwierigkeiten, Lob und Anerkennung anzunehmen
Ständige Vergleiche mit anderen, oft mit dem Gefühl, schlechter abzuschneiden
Wenn Du Dich im ein oder anderen Punkt wiedererkannt hast, sei an dieser Stelle noch mal betont: Damit bist Du nicht allein und Zweifel gehört dazu, wenn wir Erfahrung sammeln und uns entwickeln - in jeder Lebensphase. Das ist nicht automatisch ein schwerwiegendes Problem. Du kannst aber lernen, diese nicht förderlichen Gedanken bewusster wahrzunehmen und deren Botschaft zu hinterfragen, damit Du - auch wenn es stressig wird - weiter souverän und klar in Deiner Haltung agieren kannst.
Was Du tun kannst, um den inneren Kritiker zu zähmen: Die Strategie der drei „B“: Beobachten, Bewerten, Beruhigen
Die Strategie der drei „B“ ist ein praxistauglicher Impuls, um mit Selbstzweifeln konstruktiv umgehen zu können und den Du wie folgt Schritt für Schritt ausprobieren kannst:
1. Beobachten: Wer spricht da eigentlich?
Der erste Schritt ist das bewusste Wahrnehmen der inneren Stimme. Häufig läuft das selbstkritische Gedankenkarussell wie ein Autopilot im Hintergrund – solange, bis wir gezielt hinschauen. Was also tun, wenn Dich Zweifel plagen?
Der erste Schritt ist: Beobachte ganz bewusst. Folgende Leitfragen können Dir dabei helfen:
Welche Sätze sagt der innere Kritiker? (z.B.: „Das wird sowieso scheitern. Du kannst das nicht.“)
In welchen Situationen taucht diese Stimme besonders häufig auf? Gibt es Muster? (z.B.: immer dann, wenn Du Entscheidungen treffen, Konflikte lösen, oder "schwierige" Gespräche führen musst)
Mache Dir bewusst, dass diese kritischen Stimmen nicht objektiv sind, sondern lediglich Ausdruck von Angst vor möglichen Misserfolg.
Bewerten: Die Fakten-Check-Methode
Im nächsten Schritt gilt es, herauszufinden, wie realistisch die Vorwürfe des inneren Kritikers sind und wie Du Zweifel überwinden kannst.
Beantworte Dir selbst folgende Fragen:
Stimmt das wirklich?
Welche Beweise sprechen dafür oder dagegen?
Was wäre das Worst-Case-Szenario und wie realistisch ist es wirklich, dass dieses eintritt?
Wage dann einen kleinen Perspektivenwechsel:
Was würdest Du einem Freund oder einer Kollegin in derselben Situation raten?
Nach diesem “Objektivitätstest” und Perspektivenwechsel wirst Du sehen:
Mit anderen würdest Du vermutlich nicht so destruktiv sprechen, wie mit Dir selbst.
Und wahrscheinlich ist es Dir gelungen, die emotionale Panik etwas zu entschärfen und den inneren Kritiker von einer alles bestimmenden, absoluten Stimme in die eines kritischen, aber fairen Begleiters zu verlagern.
3. Beruhigen: Souveränität durch neue Routinen
Abschließend geht es darum, Deinen inneren Kritiker nicht nur rational zu widerlegen (das war der leichte Part ;); denn um langfristig souverän handeln zu können, ist es wichtig, alltagstaugliche Handlungsalternativen zu etablieren. Folgendes kann Dich dabei unterstützen:
Erlaube Dir„unperfekte“ Entscheidungen. Der Wunsch, immer alles richtig und es allen recht zu machen, führt oft zu Blockaden – Fortschritt beginnt meist mit kleinen, mutigen Schritten.
Feiere daher auch kleine Erfolge bewusst, statt sie abzutun. So stärkst du Schritt für Schritt dein Selbstvertrauen.
Entwickle kurze Routinen, z.B. am Tagesende drei Dinge aufzuschreiben die gut gelaufen sind, um Deinen Fokus zu verändern.
Mit diesem Vorgehen kann es Dir gelingen, Selbstwirksamkeit (ein ganz wichtiger Resilienz-Faktor) zu stärken und den inneren Kritiker aus der destruktiven Ecke zu holen und zu einem konstruktiven Teil Deiner persönlichen Entwicklung zu machen.
Was Du tun kannst, wenn der innere Kritiker nicht verstummen will
Der Aufbau neuer Routinen und ein neutraler und anerkennender Umgang mit inneren Kritikern kann herausfordernd sein. Denn die meisten Glaubenssätze und inneren Überzeugungen sitzen besonders tief, weil sie schon früh geprägt wurden oder über Jahre im Berufsleben weiter „gefüttert“ wurden. Wenn Du das als hinderlich und stressig erlebst, kann es sinnvoll sein, Dir Unterstützung zu holen.
Wie kann Dir Coaching dabei helfen?
Im 1:1 Coaching nehmen wir uns Zeit, individuell auf Auslöser, Umstände und vor allem auch eigene Verhaltensmuster zu schauen, die Selbstzweifel auslösen.
Wir erproben neue Blickwinkel auf das Problem, hinterfragen Denkmuster und entwickeln Schritt für Schritt Strategien, wie Du passender auf Selbstzweifel reagieren kannst.
Zudem nutzen wir einfache, alltagstaugliche Übungen, die es Dir leichter machen das Gedankenkarussell zu stoppen.
Fazit:
Drei Schritte sind entscheidend, damit Du Deinen inneren Kritiker zähmen und auch wenn es drauf ankommt souverän entscheiden und agieren kannst:
Beobachten - einfach mal bewusst wahrnehmen
Bewerten - so objektiv wie nur möglich
Beruhigen - z.B. durch alltagstaugliche Routinen
Damit kannst Du ganz entscheidend Einfluss darauf nehmen, wie viel Aufmerksamkeit Du künftig Deinen Selbstzweifeln geben möchtest.
Wenn dieser Artikel nützlich für Dich war, freue ich mich über ein Like, Teilen oder Kommentar. Und wenn Du besser mit Selbstzweifeln umgehen möchtest, lass uns gerne zusammen bei einem kostenlosen, unverbindlichen Erstgespräch auf Deine Situation schauen.

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